Wikipedia von innen – Teil 2
Vielleicht war ich vorhin zu optimistisch. Wenn man sich ein wenig länger in der Wikipedia umschaut, beginnt man sich zu ärgern. Warum? Weil sich da ein gewisses Muster abzeichnet. Es besteht darin, dass oberflächliche, falsche, teils sogar verleumderische Zuweisungen zur Wahrheit erklärt werden.
Beispiel 1: Der Artikel über Chögyam Trungpa. Ich habe nichts dagegen, dass da was über Alkohol, Sex mit Schülerinnen und das Geheimhalten der HIV-Infektion des Regenten Ösel Tendzin steht, denn das stimmt ja alles. Aber wenn man dann Diskussionsbeiträge dazu liest, in denen verleumderische Zeitungsberichte über unfundierte Vergewaltigungsvorwürfe als Quelle zitiert, ja sogar (glücklicherweise derzeit vergeblich) in den Artikel hineinreklamiert werden, dann kommt einem doch das, naihrwisstschonwas, …
Beispiel 2: Der Artikel über Thomas Mann. Ellenlang und voll des Lobes (das auch nicht referenziert ist, in vielen Punkten). Jetzt müsste man sich hinsetzen und zumindest einen Punkt einfügen, in dem davon gesprochen wird, dass Thomas Mann nicht nur vom US-Kongress als einen der wichtigsten Stalin-Apologeten bezeichnet wurde, sondern dass er das auch wirklich war. Friedrich Torberg hat das ausführlich dokumentiert. Und er hat darauf hingewiesen, dass die Perfidie gerade darin bestand, dass es viel wirkungsvoller ist, wenn einer sagt: „Ich bin kein Kommunist, sage aber dennoch…“, als wenn einer sagt: „Ich bin Kommunist und sage deshalb…“. Genau das hat Th. Mann getan. Sein Verhältnis zur Politik war überhaupt katastrophal: Zunächst einmal war er gegen die Demokratie. Dann hat er versucht, sich mit den Nazis zu arrangieren, noch nachdem die Bücher seines Bruders Heinrich und seines Sohnes Klaus schon verbrannt waren (die Bücher Thomas Manns waren wohlweislich geschont worden, weil die Nazis ihrerseits hofften, ihn auf ihre Seite ziehen zu können). Erst sehr spät, als ihm klar wurde, dass ein solches Arrangement nicht möglich ist, bezog er erstmals öffentlich gegen Hitler Stellung.
Und kaum war er in den USA, begann er, mit dem anderen Totalitarismus, dem Kommunismus, zu sympathisieren, wie auch andere, die zwar im sicheren Amerika saßen, aber gleichzeitig Stalin die Stange hielten: Bert Brecht, Jakob Wassermann, Berthold Viertel und viele mehr. Es ist kein Wunder, dass es ihm irgendwann in der McCarthy-Zeit in den USA zu ungemütlich wurde. Das wird sogar in der Wikipedia so dargestellt (wenngleich dort natürlich alle Schuld bei den Amis liegt).
Also ging er nach Europa, ließ sich in der Schweiz nieder, besuchte Ostdeutschland und sonderte Zitate ab wie: „Die Ablehnung des Kommunismus ist die größte Torheit unserer Zeit.“ Bravo, kann man da nur sagen, und es ist zum Ihrwisstschonwas…
Alles in allem kriegt man das Gefühl, dass auch in der Wikipedia einige wie Spinnen im Netz sitzen, sich einen gewissen Status erobert haben, den sie verteidigen und dazu benützen, gewisse Dinge durchzuboxen oder zu verhindern. Kein Wunder, ist halt wie überall.
Wikipedia von innen – in Sachen Torberg
Seit Jahren hab ich mir gedacht, man müsste sich doch einmal näher mit der Wikipedia beschäftigen. Aber irgendwie bin ich nie durch den Umgang mit der Versionsgeschichte durchgestiegen, und so hab ich’s fürs Erste gelassen. Und gelassen. Und gelassen.
Bis gestern. Da hab ich festgestellt, dass ich sogar schon einen Account dort besitze, hab mich angemeldet und begonnen, den Artikel über Friedrich Torberg zu editieren, der es in einigen Punkten durchaus nötig hatte. Natürlich geistern da die Nachwehen des von vielen sehr übel genommenen Torbergschen Kampfes gegen die kommunistische Spielart des Totalitarismus umher, die sich ja nicht zuletzt in dieser unseligen „Biographie“ von jenem Frank Tichy kristalliert hat. Oder hatte, denn das Machwerk ist zum Glück längst vergriffen, scheint aber dennoch in den Bücherregalen einiger Leute zu stehen, die in der Wiki was zu reden haben. Aber sei’s drum.
Ich kann mich eigentlich nicht über allzu schlechte Behandlung beschweren. Die meisten meiner Änderungen hat man übernommen, einige nicht, womit ich leben kann. Nur die Geschichte mit der Salcia Landmann habe ich nochmals tentativ geändert, denn die hat er ja eben nicht angegriffen, weil sie eine „fellow traveller“ gewesen wäre, sondern weil sie sich dem jüdischen Witz etwa so genähert hat wie ein Hund einem Laternenpfahl.
Ein allererstes Fazit: Wikipedia ist mehr als eine Enzyklopädie, es scheint auch wirklich sowas wie ein Ort der geistigen Begegnung zu sein. Oder jedenfalls hoffe ich das.
Leonard Cohen über Sasaki Roshi
Suite101
Einer der Gründe, warum ich diesen Blog begonnen habe, ist die Möglichkeit, unzensuriert zu schreiben. Und auf bestimmte Artikel hinzuweisen, die ich auf „Suite 101“ veröffentlicht habe. Angeblich soll man dort sogar Geld verdienen können, aber mit meinen bisherigen 79 Page-Views ist das nicht sehr realistisch. Macht aber nichts, es ist trotzdem schön.
Sechs Themen habe ich bisher bearbeitet. Mein Einstieg war eine Konzertkritik, die eher eine Konzertbelobigung darstellt. „A Tribute to Friedrich Gulda“, gestaltet und initiiert von meinem langjährigen Freund Paul Gulda. Wir durften dieses Konzert im Stadtsaal in Tulln erleben, und es war einfach großartig.
Dann trat eine kleine schöpferische Pause ein. Ich wusste nicht genau, wie ich weitermachen soll. Dann tat ich’s doch: Pu Yi, Der letzte Kaiser von China, war mein nächstes Thema, genauer gesagt: Pu Yis Autobiographie. Eine ambivalente Sache, aber doch lesenswert. Außerdem war das Buch die Grundlage für Bertoluccis bekannten Film „Der letzte Kaiser“.
Und dann ging es Schlag auf Schlag. Forschungsbetrug, ein heißes Eisen, aber für mich leicht zu schreiben, weil ich einerseits auf mein Material vom Vortrag von Richard Smith in Wien im Vorjahr zurückgreifen konnte. Andererseits hatte ich zufällig eine Ausgabe des Falter-Wissenschaftsmagazins gefunden, die sich ganz diesem Thema widmete. Quellen natürlich redlich angegeben.
Es folgte, am selben Tag!, etwas über Friedrich Torberg und den sogenannten Brecht-Boykott. Wenn ich einen Satz wie den vorigen, mit einem Rufzeichen (!) mittendrin, gefolgt von einem Beistrich, oder einen Satz wie diesen, mit einem Rufzeichen (!) zwischen zwei Klammern in Suite101 geschrieben hätte, hätte ich schon eine „Abmahnung“ ausgefasst, die kennen da nix.
Die Sache mit Torberg geht mir persönlich nahe, ich habe ihn flüchtig gekannt, da war ich noch ziemlich jung. Und obwohl die abscheuliche Schmähschrift, die dieser Frank Tichy eine „Biographie“ nannte, zum Glück längst vergriffen ist, plappern doch alle möglichen Leute wie die Papageien Worte wie „Brecht-Boykott“ und „CIA“ nach, ohne zu wissen, wovon sie reden.
Aber sei’s drum, mein nächstes Thema war grausliche Chemie in Kinder-Regenjacken. Ein guter Freund hat mich drauf gebracht, und ich dachte, das MUSS doch ein paar Leute interessieren….
Last (bisher), aber (sicher) not least der Text über Leonard Cohen und Buddhismus. Dazu gäbe es noch einiges zu sagen. Zum Beispiel, dass auch der Millionenbetrug, dessen Opfer LC wurde, einen „buddhistischen“ Hintergrund hatte, nämlich insofern als sowohl die Betrügerin als auch der ebenfalls nicht ehrliche Finanzberater einer anderen buddhistischen Organisation angehörten (die per se natürlich nichts dafür kann; aber davon ein andermal).
Für heute ist’s genug, und ich hoffe, dass diese Texte jemanden interessieren, und wenn nicht, macht’s auch nix.
Guten Morgen.
Es ist zwar Abend, aber man soll doch mit einer frischen Perspektive beginnen, oder? Jedenfalls hab ich das so gelernt, aber das allein wär schon eine lange Geschichte, und die erzähl ich vielleicht später.
Und er bewegt sich doch…
„Der Standard“ nämlich, denn heute bekam ich, nach Tagen, doch eine Antwort von der Frau Hinterleitner (oder irgendwelchen ungenannten Mitarbeitern). Die war insofern interessant, als da zu lesen war, dass die Konversationen (wenn man das denn so nennen will) mit Verwunderlich und Pisack auch deswegen gelöscht wurden, weil die mich als Antisemiten bezeichnet und damit beleidigt haben. Haben sie auch.
Es ist zwar gut möglich, dass es sich dabei um eine Art Beschwichtigungsversuch handelt, aber immerhin, man freut sich.
Heut hab ich ja nur kurz hineingeschaut, aber wie diese Clowns auf andere reagieren, die ihnen widersprechen, ist ja auch nicht ohne. Mit einer beispiellosen, monomanischen, ja fast autistischen Aggression bei gleichzeitigem völligen Ignorieren dessen, was der andere ihnen sagen will. Sondern man bildet sich nach zwei Zeilen, die einem nicht zu Gesicht stehen, ein Urteil. Und das hängt man dem anderen um, und dieses Stigma trägt er dann bis ans Ende seiner Tage. Oder so hat sich der kleine Fritzi das jedenfalls vorgestellt.
Sed non ludent, wie der Lateiner sagt. Und damit wirklich genug von diesen Herren.
Und kein Ende… oder doch?
Meine Auseinandersetzung mit dem Pipi von Pipifax und dem wunderlichen Fritz nimmt kein Ende. Nicht zuletzt, weil die beiden Herren keine Ruhe geben. Sondern mir stets — unter völligem Ignorieren meiner Antworten, Entgegnungen, Erläuterungen, ja sogar Beteuerungen, ständig den gleichen Bleedsinn vorwerfen.
Ich sei ein Antisemit, denn ich hätte Fritz Haber als den Erfinder von Zyklon B bezeichnet — eine Lüge, wie der Wunderlich meint. Ein bedauerlicher Irrtum meinerseits, kann ich dazu nur sagen, der aber insofern kein großes Problem darstellt als die betreffenden Postings sowieso gelöscht wurden und ich meinem Bedauern über diesen Irrtum hier bereits öffentlichen Ausdruck verliehen habe. Aber Wunderlich hat das nicht gelesen, oder er will es nicht hören, oder es glaubt es einfach nicht, oder er hat seinen Beißreflex nicht unter Kontrolle oder was weiß denn ich, was diesen Menschen reitet.
Und ich sage auch noch einmal, dass mein Irrtum nicht nur nicht antisemitisch gemeint war; er war auch de facto nicht besonders groß, denn
- wurde Zyklon B ja tatsächlich in Habers Arbeitsgruppe bzw. von einem seiner früheren Mitarbeiter entwickelt, und vermutlich war Haber an den Vorarbeiten beteiligt.
- hätte Haber das Zyklon B ohne weiteres erfinden KÖNNEN, und ich frage mich nur, wie Wunderlich und Co dann reagiert hätten. (Ohje, das war jetzt wieder eine „antisemitische Stereotypie“, denn jetzt glaubt Wunderlich, genau zu wissen, dass ich mit diesem Ausdruck schlicht und einfach „die Juden“ gemeint habe; hab ich aber nicht; ich meine mit „Wunderlich und Co.“ einfach all jene, die ähnlich unreflektierte Positionen vertreten wie er; und auch das wird er mir nicht glauben….) Warum hätte Haber das Zyklon B erfinden können? Ganz einfach: Weil er Chemiker war, weil er davor jede Menge anderer grauslicher Gase zu grauslichen Zwecken entwickelt hat und auch noch stolz darauf war. Zyklon B war ja immerhin, als es entwickelt wurde, nur zum Töten von Insekten bestimmt. Auch nicht schön, aber in manchen Fällen vielleicht notwendig und jedenfalls kein Verbrechen gegen Menschheit und Menschlichkeit. Anders hingegen die Gase, die Haber während des Ersten Weltkriegs schuf: Das waren Kampfgase, vom ersten Tag an, nie für etwas anderes bestimmt, als Soldaten der einen Seite zu schädigen, zu töten, und das auf qualvollste Weise. Und Haber war sogar dabei, war mehrfach an der Front, überwachte die Einsätze seiner Giftgase, bezeichnete auch nach dem Krieg noch Giftgas absurderweise als „humane Waffe“ und blieb bis an sein Lebensende bei der Ansicht, er hätte nichts Böses getan. Das Nobelpreis-Komitee hat ihn ja in dieser Ansicht leider, leider sogar bestätigt, und vermutlich auch noch mancher andere. Dieser Mann ist für mich ein Kriegsverbrecher. Die hat’s ja schließlich nicht nur im Zweiten Weltkrieg gegeben. Ohje, ich hör ihn schon wieder schreien. Was schreit er? Er schreit: „Relativierung der Einmaligkeit des Holocaust durch eine Redefigur, die für gewisse Kreise typisch ist.“ Und schon wieder redet er Unsinn. Mir ist völlig klar, dass es Leute gibt — Rechtsradikale, Neonazis, Ewiggestrige und was weiß ich was –, die versuchen, die monumentale, jedes Vorstellungsvermögen übersteigende Grauenhaftigkeit des Holocaust dadurch zu relativieren, dass sie auf die Schuld der Alliierten, auf Kriegsverbrechen von amerikanischer und russischer Seite und auf eine Menge anderer Dinge hinweisen, die auch nicht schön waren. Nur: Um so etwas tatsächlich zu einer Relativierung des Holocaust — vielmehr zu einem, natürlich untauglichen, Relativierungsversuch zu machen, braucht es doch zweierlei: eine bestimmte, in bestimmter Rhetorik geäußerte Verknüpfung des Holocaust mit den genannten Tatsachen und die entsprechende, dem Sprecher nachzuweisende Intention zur Relativierung. Beides fehlt bei mir völlig. Vor allem die Motivation war schließlich eine völlig andere. Ich kam dazu ja, quasi von der anderen Seite der Geschichte, hatte mich bei der Lektüre von Edward Timms‘ Kraus-Biographie ja gerade in den Ersten Weltkrieg und die Zeit danach hineingedacht. Und Timms erwähnt dort, nachdem er ausführlich auf Haber und seine Verantwortung für die Giftentwicklung und seine Mitverantwortung für die Giftgasangriffe eingeht, etwas summarisch, dass Habers Arbeitsgruppe auch das Zyklon B entwickelt habe. Und da hab ich, leider, schlampig gelesen und daher die falsche Schlussfolgerung gezogen, es sei Haber selbst gewesen. Eingestanden, zugegeben, für mich erledigt. Nicht aber für den Wunderlich, der darauf besteht, ich hätte bewusst eine antisemitische Lüge verbreitet. Na, wenn er will, soll er. Ich werd’s überleben, weiß, wie ich’s gemeint und vor allem, wie ich’s nicht gemeint habe und weiß mich vor allem frei von antisemitischen Vorurteilen. Schade nur, dass er’s nicht weiß.
- Haber war also nicht gerade jemand, der von humaner Kriegsführung überzeugt war. Oder vielmehr, er hat fälschlich behauptet, die von ihm propagierte Kriegsführung mittels Gas sei human. Was Haber zum Holocaust gesagt hätte, wissen wir nicht. Vielleicht hätte der Einsatz von Zyklon B — das von seinem Mitarbeiter Walter Heerdt erfunden wurde, wie wir jetzt alle wissen — gegen Juden bei ihm zu einem Sinneswandel hinsichtlich der Berechtigung von Giftgasangriffen an der Front geführt. Und vielleicht noch zu viel größeren und grundlegenderen Wandlungen. Immerhin kamen auch einige von Habers Verwandten im Holocaust um, aber da war er schon tot; er starb ja, wir erinnern uns, 1934. Und man möge mir bitte auch hier keine antisemitischen Stereotypien unterstellen. Es ist für mich nicht ausgemacht, wie Haber auf den Holocaust reagiert hätte. Vermutlich mit Grauen, aber wissen wir das wirklich? Die Toten und Schwerstverletzten und -verätzten, die seine Gase im Ersten Weltkrieg hinterlassen haben, schienen ihm jedenfalls nicht schwer auf der Seele zu liegen. Und ich sage es noch einmal: Ich halte diesen Mann für einen Kriegsverbrecher und für ein flagrantes Beispiel einer wissenschaftlichen moral insanity, die in ähnlicher Weise bei einer Menge Wissenschaftler unter dem Naziregime vorhanden war und die bekannten Resultate gezeitigt hat. Und mir deshalb Antisemitismus zu unterstellen, weil ich diesen Mann angreife, der eben zufällig auch Jude war, finde ich völlig daneben. Und ob er das Zyklon B nun selbst erfunden hat oder nicht (wir wissen: er hat nicht), das wird für mich in diesem Kontext eigentlich zum Detail. Ich sage ja auch nicht, dass Walter Heerdt wegen der Erfindung von Zyklon B ein Kriegsverbrecher war. War er nicht. Er dürfte später bei den Nazis auch eher angeeckt sein und wollte schon zuvor mit einer militärischen Anwendung der von ihm erfundenen Gase nicht in Verbindung gebracht werden. Heerdt überlebte den Krieg und wurde 1946 wieder Direktor der DEGESCH. Die Erfindung des Zyklon B (die ja in Wirklichkeit gar nicht die Erfindung eines neuen Gases war, sondern es handelte sich um Zyanidgas, das längst bekannt war; neu war nur das Verfahren, mit dem Zyanid in einen Trägerstoff, Kieselgur, eingebracht wurde, aus dem es dann nach Freisetzung langsam wieder herausdampfte) hatte also per se einmal nichts mit irgendwelchen Kriegsverbrechen zu tun. Aber Haber war dennoch ein Kriegsverbrecher. Und natürlich nicht wegen Zyklon B. Aber wenn es Zyklon B im Ersten Weltkrieg schon gegeben hätte und wenn es sich für den Einsatz an der Front geeignet hätte, dann hätte Haber es genauso bedenkenlos den deutschen Militärs in die Hand gegeben, wie er das mit Chlorgas und mit Senfgas getan hat. Mittlerweile sollte das so klar sein, dass selbst Fritz Wunderlich es begreift, aber er wird nicht, das ist mir schon bewusst.
Und so ähnlich ist das halt mit den anderen Argumenten aus seinem heutigen Posting (das noch gar nicht erschienen ist, mir aber schon als Mail zugestellt wurde; ob das ein Fehler im System des Standard ist oder ob sie das mit Absicht machen, weiß ich nicht; es ist insofern frustrierend als man ja, wenn das Posting dann wirklich nicht erscheint, keine Möglichkeit hat, zu antworten; außer man schreibt ein Posting mit einer Antwort auf etwas, was außer einem selbst niemand gelesen hat; was auch nicht wirklich die Lösung ist).
Also: Ich hätte weiter behauptet, die Gründung Israels sei die zentrale Ursache für den Nahostkonflikt. Das ist eine subtile, aber perfide Manipulation dessen, was ich wirklich gesagt habe. Ich sagte, dass die Gründung Israels natürlich eine ganz wichtige Ursache des Konflikts sei. Ich habe nie behauptet, es sei die einzige. Dass diese Staatsgründung — und auch schon die Jahrzehnte davor — allerdings wirklich mit teilweise eklatanten Ungerechtigkeiten gegenüber den Palästinensern, mit Enteignungen, Vertreibungen und in Einzelfällen sogarn Massakern einhergingen (man denke an Dir Yassin), das ist halt auch eine Tatsache, selbst wenn’s dem Herrn Wunderlich nicht passt, weil es natürlich seine argumentative Position schwächt. Drum sind das alles einfach „antizionistische Lügen“. So einfach kann man sich die Welt machen. Und er, gerade er, wirft dann anderen ein zu einfaches Weltbild vor. Das ist ein Mechanismus, der im allgemeinen als Projektion bekannt ist.
Was Watzal betrifft, ist für mich das letzte Wort noch nicht gesprochen. Mag schon sein, dass auch der nicht gänzlich objektiv ist. Aber der Israel-Hasser und glühende Antizionist, als den Wunderlich ihn hinstellt, ist er jedenfalls auch nicht. Sonst würde er die Menschenrechtsverletzungen von Palästinensern an Palästinensern nämlich sicher verschweigen. Tut er aber nicht. Und außerdem, was will er denn, der Wunderlich? Ist seine Position denn etwa ausgewogen? Nein. Für ihn besteht die eine Seite, die palästinensische, aus Terroristen, gegen die Israel sich schützen muss, und daher ist alles, was Israel tut, letztlich irgendwie zu rechtfertigen. Und das ist mir nun wahrlich eine zu simple Position, auch wenn er jede Menge emotionale und sonstige Gründe hat, Israel zu verteidigen.
Und dass ich mich auf eine Stufe mit Martin Buber gestellt hätte, ist ja auch schon wieder so eine Unterstellung. Ich habe gesagt, dass Buber ein prominenter Kritiker am zionistischen Vorgehen schon in den Zwanzigerjahren war. Dass Hannah Arendt die zionistische Politik vehement angegriffen hat. (Arendt erwähnt er gar nicht, und zu Buber fällt ihm nur ein, das ich nicht „in dessen Liga spiele“. Hab ich auch nicht behauptet. Ich habe nur gesagt, dass es auch hochrangige jüdische Kritiker des Zionismus gibt, ein Argument, bei dem Wunderlich ausfällig wird, weil ihm dazu kein sachlicher Widerspruch einfällt.
Und da schon wieder ein Posting von ihm per Mail eingetroffen ist, kann ich ja gleich weiterschreiben. Ich beziehe mich auf sein polemisches Gegenargument, dass „Syrien, der Libanon, Jordanien und der Irak das Problem“ wären. Nun, die sind zweifellos problematisch, schon aufgrund der Tatsache, dass in keinem dieser Länder eine funktionierende Demokratie herrscht (die amerikanische Besetzung des Irak, die die Lage weiter kompliziert, sei hier einmal ausgeklammert). Aber man kann, bitteschön, auch nicht übersehen, dass Israel das Resultat einer „Landnahme“ ist, einer Aneignung von Land durch jüdische Einwanderer. Und dieses Land hat zum Großteil eben anderen gehört, die zum Großteil von dort vertrieben wurden. Watzal bringt zahllose Zitate dazu, die klar zeigen, dass die Vertreibung der Palästinenser zum Teil das Ziel der zionistischen Politiker und Militärs, zum Teil zumindest (von manchen wenigstens bedauernd) in Kauf genommen wurde. Womit sich übrigens auch das von zionistischer Seite immer wieder vorgebrachte Argument, Palästina sei vor der jüdischen Einwanderung ein mehr oder weniger unbewohntes Land gewesen, in dem bestenfalls ein paar arabische Nomaden mit Viehherden herumgewandert wären, ad absurdum führt. Wenn da niemand zum Vertreiben gewesen wäre, wieso hätten dann selbst zionistische Politiker von Vertreibungen gesprochen?
Nun ist Israel heute eine Realität im Nahen Osten, und kein vernünftiger Mensch, auch kein vernünftiger Kritiker Israels, wird seine Auflösung verlangen. (Und jene, die eine Auslöschung Israels wünschen, sind eben für mich, entgegen den Vermutungen des Herrn Wunderlich, keine vernünftigen Menschen). Und Israel ist auch die einzige Demokratie in der Region, die diese Bezeichnung verdient, wenn auch eine höchst zerrissene, von Vergangenheit und Gegenwart über Gebühr belastete Gesellschaft. Und das ist kein Vorwurf, das ist eine Feststellung.
Und darum meine ich, eine faire Lösung der Probleme in dieser Region wird nur dann möglich sein, wenn auch jene Ungerechtigkeiten aufgearbeitet werden, die den Palästinensern dort geschehen sind und bis heute geschehen. Das sind berechtigte Anliegen, die nur mit teilweise sehr unberechtigten Mitteln (wie etwa Selbstmordanschlägen gegen die israelische Zivilbevölkerung) vertreten werden. Der Zweck heiligt diese Mittel sicher nicht, aber sie desavouieren meiner Ansicht nach auch den Zweck nicht völlig.
Um diese Dinge zu verstehen, ist es eben notwendig, sich abseits des Mainstream der Medien zu informieren. Auch wenn es schwierig ist, aber man muss eben beide Seiten hören bzw. lesen, um sich nach und nach ein eigenes Bild zu machen. Und mein Bild hat sich eben vor allem in den letzten Jahren doch erheblich gewandelt. Ohne dass ich wirklich meine noch aus meiner Jugend stammende emotionale Nähe zu allem, was jüdisch ist, verloren hätte. Deswegen tut’s mir doppelt, drei- und vierfach weh, wenn ein Wunderlich daherkommt, der mich nicht kennt, und mich einen Antisemiten nennt. Deswegen tut’s mir fünffach weh, einsehen zu müssen, dass es auch Unrecht (und schweres Unrecht) gibt, das anderen durch Israel und seine Vorväter zugefügt wird bzw. wurde.
Aber gerade von jüdischen Vorbildern, die ich hatte und habe (nicht zuletzt von Karl Kraus und Friedrich Torberg), habe ich gelernt, dass auch „Philosemitismus“ ein Unsinn ist, weil er eigentlich einen wie ein Handschuh umgedrehten Antisemitismus darstellt.
Und am Schluss gebe ich also eines zu: Ich habe mir in meiner impulsiven Art wahrscheinlich zu wenig überlegt, dass meine Motivation in so einem Standard-Posting, aufgrund mangelnder Kenntnis meiner Person, leicht kolossal missverstanden werden könnte. Deshalb tut mir dieses Haber-Posting auch leid. Nicht wegen der Person des Fritz Haber, die ich verachte. Auch nicht wegen der Herren Wunderlich und Pipifax, die nicht meine Freunde sind und die mit einer merkwürdigen Hartnäckigkeit darauf bestehen, in mir einen Feind zu sehen, der ich nicht bin. Es tut mir einfach nur deshalb leid, weil ich großen Wert darauf lege, in keinerlei Nähe zu irgendwelchem Antisemitismus gebracht zu werden und weil es ja immerhin sein könnte, dass diese Postings, bevor sie gelöscht wurden, noch wer anderer außer Wunderlich und Pipifax gelesen hat, jemand der mich auch missverstanden hat und sich deshalb gekränkt oder beleidigt fühlte. Und DAS wollte ich nicht. Ich entschuldige mich daher quasi vor dem Denkmal des unbekannten Juden oder vor jedem beliebigen Holocaust-Mahnmal. Jederzeit. Aber nicht vor Wunderlich und Pipifax. Das denn doch nicht.
Und es geht munter weiter – eine Replik an Pipifax
Schon interessant. Der wunderliche Fritz schweigt, während der Pipifax weiterpostet. Ich werde den Verdacht nicht los, dass das ein und derselbe Mensch ist. Oder kann es wirklich zwei geben, die so ähnlich, stur und aggressiv argumentieren?
Aber gut, was sagt er denn (ich fasse hier die beiden Postings von gestern zusammen, da sie ja fortlaufend geschrieben sind; immerhin war er so intelligent, den zweiten vor dem ersten abzuschicken, damit man es von oben nach unten lesen kann; Orthographie und Kleinschreibung naturbelassen):
oje, ich soll sie gepruegelt haben? wenn sie erklaerungen, warum man etwas durchaus als anlehnen an antisemitische strategien verstehen kann, als „pruegel“ empfinden, dann sind sie allerdings etwas gar empfindlich. sie haben im uebrigen auf solche argumente in ihren texten *gar* nicht reagiert … vielleicht nicht ganz zufaellig. lieber stellen sie sich als armes opfer dar, obwohl sie a) tatsachen verdreht haben; b) selbst nach dem nachweis, das dies der fall war, auch weiterhin der betreffenden person ein naheverhaeltnis zum tatsaechlichen entwickler unterstellt haben, c) nicht den unterschied zwischen der (moralisch durchaus verwerflichen) entwicklung von chemischen substanzen, die auch zur vernichtung von menschen dienen koennen und der ideologisch-wissenschaftlichen unterfuetterung von eugenisch und rassistisch motiviertem massenmord unterscheiden koennen.
darueber verlieren sie kein wort. ueberfordert sie dies intellektuell?
bieten in ihrem blog ausser empoerung recht wenig inhaltliches. und merken nicht einmal, dass sie wieder rhetorische strategien anwenden, die typisch fuer bestimmte lager sind (etwa: „zu meinen besten freunden zaehlen …,“
ein wenig selbstreflexion wuerde nicht schaden. und sich nicht so wichtig nehmen … v.a. wenn’s ums standard-forum geht.
Also, schön der Reihe nach. Zu den „Erklärungen, warum man etwas durchaus als Anlehnen an antisemitische Strategien verstehen kann“ möchte ich zunächst einmal bemerken, dass diese Erklärungen eben nicht als Erklärungen daherkamen, sondern als massive Denunziation meiner Person als Antisemit, Rechtsradikaler und Revisionist.
Darüber hinaus ist es ja nicht wahr, dass ich auf dieses Argument nicht reagiert hätte. Ich bin der LETZTE, der irgendeiner rechtsradikalen, holocaustleugnenden oder auch nur -relativierenden Argumentation das Wort redet oder sie stützt. Ich gebe auch zu, dass ich den Fehler zu behaupten, Fritz Haber wäre direkt der Entwickler von Zyklon B gewesen, nicht hätte machen sollen. Das ist allerdings bei Fehlern meistens so. Man hat mich darauf aufmerksam gemacht, ich habe das widerrufen, nur ist dieser Widerruf mitsamt allem anderen (inklusive meinem damaligen Postingnamen „jemenfous“) gelöscht worden. Aufgrund der Intervention der Herren Wunderlich oder Pipifax, die sich damit nicht unbedingt einen Dienst erwiesen haben, denn die Aufklärung dieser Missverständnisse hätte durchaus auch im Standard-Forum selbst erfolgen können.
Was mich beim Herrn Pipifax und seiner Argumentation allerdings massiv stört, ist der ständige, wenn jetzt auch etwas subtiler formulierte Vorwurf des Antisemitismus. Wenn er schreibt, ich hätte „auf solche Argumente“ in meinen Texten „*gar* nicht reagiert“, so ist das unzutreffend. Und wenn er mir dann unterstellt, das sei also „vielleicht nicht ganz zufällig“ geschehen, so unterstellt er mir weiterhin massiven Antisemitismus, nur quasi durch die Hintertür. Ich bin natürlich auf diese Argumente eingegangen, schon in meinem Brief an den Standard, der auch hier veröffentlicht ist (und der bisher völlig unbeantwortet blieb, noch nicht einmal eine Lesebestätigung hab ich bekommen), aber ich werde es, speziell für Pipifax und andere, die Wert darauf legen, mich in die Antisemitenlade zu legen, noch deutlicher sagen.
Zunächst einmal die „Verdrehung der Tatsachen“: Ich habe jetzt wohl schon mindestens zehnmal, hier sowie in Postings, die allerdings leider nicht lang gelebt haben, gesagt, dass mir die Behauptung, Fritz Haber hätte das Zyklon B erfunden, leidtut. Und sie tut mir vor allem (oder fast ausschließlich) deshalb leid, weil sie, wie der Pipifax allerdings mit einem gewissen Recht bemerkt, dazu geeignet erschien, antisemitischen Stereotypien Vorschub zu leisten. Ich habe auch schon erwähnt, dass mir zum Zeitpunkt meiner ersten Postings dieser spezielle, sich auf Fritz Haber und Zyklon B beziehende antisemitische Topos nicht bekannt war. Ein Versäumnis, vielleicht. Gut, ich denke, dieser Punkt sollte nun hinlänglich geklärt sein.
Beim nächsten Punkt wird’s allerdings schon schwieriger. Dort argumentiert der Pipifax nämlich, ich hätte „auch nach dem Nachweis, dass dies [also die irrtümliche Zuschreibung des Zyklon B zu Haber] der Fall war, auch weiterhin der betreffenden Person [Fritz Haber] ein Naheverhältnis zum tatsächlichen Entwickler [von Zyklon B, also Walter Heerdt] unterstellt“ (Einfügungen in eckigen Klammern von mir, nur zur Erläuterung). Also, ich glaub nicht, dass das eine großartige Unterstellung war. Pipifax macht nämlich hier einen Fehler, er bezieht sich auf die tatsächlich vorliegenden antisemitischen Klischees anstatt auf mein Posting und meine Intention. Er argumentiert nämlich, dass jede Behauptung, die Fritz Haber auch nur in irgendein Nahverhältnis zur Entwicklung von Zyklon B stellt, falsch und antisemitisch wäre. Und das ist ein Unsinn, möglicherweise sogar ein bewusst und tendenziös verwendeter Unsinn. Und zwar aus einem einfachen Grund: Pipifax tut so, als wäre Zyklon B immer schon zu nichts anderem bestimmt gewesen als zu seinem — fürchterlichen und ewig unverzeihlichen — Einsatz in den Vernichtungslagern der Nazis.
Aber Zyklon B wurde ja in Friedenszeiten zu einem ganz anderen Zweck entwickelt, nämlich als Schädlingsbekämpfungsmittel. Und Walter Heerdt, der Entwickler, war zunächst ein Mitarbeiter Fritz Habers, bis er 1920 die Leitung der DEGESCH, der „Deutschen Gesellschaft für Schädlingsbekämpfung“, von Haber übernahm. Und das soll KEIN Nahverhältnis gewesen sein? Es war Habers Arbeitsgruppe, die zunächst das Zyklon A entwickelte, mit dem es allerdings technische Probleme gab, und dann — nach Bewältigung dieser Probleme — das Zyklon B. Das Patent wurde Heerdt zwar erst 1926 erteilt, aber rückwirkend für 1922, also nur zwei Jahre nachdem er die DEGESCH-Leitung von Haber übernommen hatte. Und die Bemerkung, es sei verwerflich, Haber ein „Naheverhältnis“ zu Heerdt und seiner Arbeit zu unterstellen, mutet angesichts der Biographie Habers, die ich schon an anderer Stelle ausführlicher dargestellt habe, doch seltsam an.
Was hätte denn der Chemiker und Kampfgasentwickler (Phosgen, Chlorgas) Haber, der bis an sein Lebensende von der Rechtmäßigkeit der Verwendung der von ihm entwickelten Gase überzeugt war, gegen Zyklon B als Schädlingsbekämpfungsmittel haben sollen, zumal es von einem seiner Mitarbeiter entwickelt wurde? Und ich bleibe im übrigen bei meiner Einschätzung, dass Haber aufgrund dieser Haltung und seiner Handlungen im Ersten Weltkrieg als Kriegsverbrecher einzustufen ist. Und er ist bis an sein Lebensende, 1934, nicht von dieser Haltung abgerückt.
Das führt mich schon zum Punkt c) im Pipifax-Posting, wo er schreibt, das es durchaus moralisch verwerflich sei, chemische Substanzen zu entwickeln, die auch, wie er sagt, zur Vernichtung von Menschen dienen können. Nur übersieht er dabei, dass Haber selbst die von ihm entwickelten chemischen Substanzen primär zu dem Zweck, Menschen zu vernichten, entwickelt hat. Noch einmal: im und für den Ersten Weltkrieg, ja, aber doch als Waffen und primär nicht zu einem friedlichen Zweck. Ich denke, dass die DEGESCH ja letztlich auch deshalb gegründet wurde, weil man dann eben für das noch aus dem Krieg vorhandene Know-How eine nicht-kriegerische Anwendung gesucht und gefunden hat.
Und wenn man alle diese Tatsachen zusammennimmt, dann muss man sich doch fragen, ob es nicht berechtigt ist, in der Tatsache eine bittere Ironie der Geschichte zu sehen, dass Zyklon B, ein von einem ehemaligen Mitarbeiter Fritz Habers entwickeltes Gas, Jahre später zur Massenvernichtung von Menschen eingesetzt wurde. Und nur zur Erklärung, was ich mit bitterer Ironie meine: Ich meine — bitter. In dieser Aussage ist nicht ein Funken Schadenfreude, ist nicht der mindeste Anklang einer Haltung, die da lauten könnte „Die Juden haben das Zyklon B selbst erfunden“ oder dergleichen rechtsextrem-antisemitischer Schwachsinn mehr. Alles, was ich damit ausdrücken wollte, war Trauer, Trauer über die Tatsache, dass letztlich auch hier ein „Versagen von Wissenschaftlern“ zu grauenhaften Resultaten geführt hat. Das können mir Pipifax und Wunderlich nun glauben oder nicht glauben. Es kommt mir nicht drauf an, einzelne Personen zu überzeugen, aber ich lasse mir nicht Motive unterstellen, die ich nicht habe, nie hatte und nie haben werde.
Nun komme ich zu der nächsten Unterstellung, nämlich, dass ich nicht unterscheiden könnte zwischen der „Entwicklung chemischer Substanzen, die auch zur Vernichtung von Menschen dienen können, und der ideologisch-wissenschaftlichen Unterfütterung von eugenisch und rassistisch motiviertem Massenmord“. Glaubt der das wirklich, der Pipifax? Unterstellt er mir, nachdem er das alles, was ich hier schreibe, gelesen hat (und wenn nicht, erreicht ihn diese Frage ja ohnehin nicht), ernsthaft, ich könnte diese beiden Dinge nicht unterscheiden?
Er verkennt, dass ich von Anfang an klar gemacht habe, wieso ich diese Fritz Haber/Kampfgas/Walter Heerdt/Zyklon B-Geschichte überhaupt gerade bei diesem Artikel gepostet habe. Einfach aus assoziativen Gründen, weil mir der Begriff „Versagen von Wissenschaftlern“ in dem Artikel auffiel und, wie ich schon in den Postings sagte, mir dazu ein anderes Versagen anderer Wissenschaftler einfällt. Der Begriff der Assoziation dürfte auch Pipifax geläufig sein. Woher dann also die Unterstellung, ich könnte zwischen diesen beiden Themen nicht unterscheiden?
Andererseits sind sie aber auch gar nicht so verschieden. Worum geht’s denn dabei? Es geht in beiden Fällen darum, dass Wissenschaftler (ob’s nun Biologen, Chemiker, Physiker oder was auch immer sind) sich von totalitären Regimen missbrauchen lassen. Natürlich ist es nicht dassselbe, ob man als Wissenschaftler (pseudowissenschaftliche) Argumente für eine verbrecherische Praxis (die Ermordung von Menschen mit Behinderung unter dem Titel „Vernichtung lebensunwerten Lebens“) liefert oder ob man mit (tatsächlich) wissenschaftlichen Methoden direkt ein Vernichtungsmittel herstellt. Oder ein potentielles Vernichtungsmittel, wie im Fall des Zyklon B, das eben ursprünglich zum Zweck der Schädlingsbekämpfung entwickelt wurde.
Mir ist schon klar, dass die Frage, ob mich diese Unterscheidung intellektuell überfordere, einfach nur dem Zweck der Polemik dient. Andererseits, vielleicht hält er mich ja wirklich für so blöd, der Pipifax. Dann kann ich ihm aber auch nicht helfen.
Dann ist da am Ende noch die Sache mit der „für bestimmte Lager typischen rhetorischen Strategie“. Da meint er die Tatsache, dass ich mir erlaubt habe, meine Freundschaft zu einer Reihe von Juden zu erwähnen und zwei Namen zu nennen. Dass ich mir erlaubt habe, auf die Tatsache hinzuweisen, dass ich aufgrund meiner Biographie ein eher unwahrscheinlicher Kandidat für das Label „Antisemit“ bin. Und jetzt wird er lachen, der Pipi. Er hat nämlich in diesem einen Punkt sogar ein bissel recht. Es war mir tatsächlich nicht sonderlich wohl dabei, das hinzuschreiben. Nicht weil ich glaube, dass mir meine jüdischen Freunde bös wären, die kennen mich nun wahrlich lang genug. Aber der Pipi hat recht, sowas sagen AUCH Leute, die tatsächlich Antisemiten sind. Die sagen auch Sachen wie: „Ja, wenn ALLE Juden so wären wie SIE!“. Aber das sag ich eben nicht. Ich wollte lediglich meine jüdischen Freunde quasi als Zeugen anrufen, aber sowas soll man nicht tun. Gut, ein Punkt (und eigentlich der einzige) für den Pipifax.
Zu guter Letzt wirft mir dieser Unbedarfte einen Mangel an Selbstreflexion vor. Ha! Wozu, glaubt er, schreib ich denn diesen Blog? Wozu schreibe ich alles, was ich sonst schreibe? Aber was soll’s: Der Mensch kennt mich nicht, weiß nichts von mir, hält sich aber für berechtigt, mir dies und das zu unterstellen. Zu Unrecht.
Und damit zurück ins Studio.
Gedanken zum Nahostkonflikt: eine Replik
[Das Folgende ist eine Replik auf eine Replik auf eine Replik zu einem Artikel in einem anderen Blog. Da die Replik aber beträchtlich länger geworden ist als üblich und auch länger als das, worauf sie repliziert, habe ich mir doch erlaubt, sie auch als eigenständigen Artikel zu betrachten und hier in meinen eigenen Blog zu stellen.]
Einmal probier ich’s noch, Ihnen (Sie verzeihen, dass ich das Internet-Du vermeide, schließlich kennen wir einander gar nicht) meinen Standpunkt zu erklären und Ihnen vielleicht eine mögliche neue Perspektive zu eröffnen. Nicht, dass ich glaube, dass es wahnsinnig viel bringt, aber trotzdem.
Sie hängen hier an einer bestimmten, vordefinierten Begrifflichkeit, die Ihnen dann die moralische Rechtfertigung der einen und die Verdammung der anderen Seite bringt. Was ich damit meine ist: Wenn Sie von Israel sprechen, dann sprechen Sie von „Militäreinsätzen“. Da gibt es also einen Staat, ein Militär und einen Einsatz, und das klingt alles ungeheuer legitim. Und Sie finden es auch legitim, wenn man der Zivilbevölkerung das Wasser abdreht. Haben Sie schon einmal versucht, bei 40 Grad im Schatten ohne Wasser ein kleines Kind zu versorgen oder für eine Familie zu kochen? Probieren Sie’s doch einmal. Dann werden Sie nämlich auch schnell verstehen, warum Organisationen wie die Hamas bei den Palästinensern einen hohen Zuspruch haben. Was die Hamas betrifft, liegt das auch daran, dass sie bei uns zwar nur als Terrororganisation wahrgenommen wird, aber in Wirklichkeit innerhalb der palästinensischen Gesellschaft eher eine soziale Organisation ist (womit ich den Terror gegen Israel weder bestreiten noch rechtfertigen will; aber den anderen Aspekt kennt man im Westen kaum; und er erklärt auch, warum Palästinenser die Hamas anders wahrnehmen).
Aber zurück zur Begrifflichkeit. Was haben wir auf der anderen Seite? Nichts eigentlich. Keinen Staat, daher auch keine Armee, einige Polizeieinheiten, und dann eben Organisationen wie Fatah, Hamas und so weiter, die im Westen mehr oder weniger als Terrororganisationen gelten. Und der Terror, der von manchen dieser Organisationen ausgeht und der sich weitgehend gegen die israelische Zivilbevölkerung richtet, wird, zurecht, verdammt.
Nur: Wissen Sie eigentlich, dass auch die Israelis so angefangen haben? Was war denn mit der Bombe im King David Hotel (22. Juli 1946, 91 Menschen tot, vor allem Briten)? Das war der Irgun, eine jüdische paramilitärische Organisation, übrigens unter dem Kommando des späteren israelischen Premierministers Menachem Begin. Es gab in den dreißiger und vierziger Jahren noch mehr von diesen Einheiten, Palmach, Haganah, Lehi und wie sie alle hießen, die teilweise ineinander übergingen, teilweise auseinander hervorgingen, später zum Teil fusioniert wurden. Der Punkt ist: Die haben auch Terror betrieben. Oder es wurde jedenfalls so wahrgenommen. Nicht nur das: 2006 gab es in Israel eine 60-Jahr-Feier dieser Bombenexplosion, Begin war dabei. Die Briten protestierten, worauf man ihnen antwortete, es hätte ja Warnungen gegeben, und sie hätten es eben versäumt, das Hotel zu evakuieren. Na, sehr schön. Israelis dürfen also den gewaltsamen Tod von 91 ihrer „Feinde“ von damals noch 60 Jahre später feiern. Ich muss Ihnen ehrlich sagen, dass ich das nicht weniger abstoßend finde als das Feiern eines nun freigelassenen drusischen Mörders, der in den Siebzigerjahren ein vierjähriges Kind erschlagen hat. im Libanon (Sie kennen ja die Geschichte).
Worauf ich hinauswill, und warum ich das in dieser Länge ausführe: Man sollte Handlungen nicht an ihrer vermeintlichen A-priori-Legitimität messen („Militäraktionen“), sondern danach, was sie an Leiden verursachen. Nur ein Beispiel: Wenn die Amerikaner über vietnamesischen Dörfern Napalmbomben abgeworfen haben, die Menschen in lebendige Fackeln verwandelten und ihnen einen unvorstellbar grauenvollen, langsamen Tod in den Flammen bescherten, dann könnten Sie das, wenn Sie wollten als „Militäraktion“ und daher als „legitim“ bezeichnen. Aber was wäre damit gewonnen?
Es ist übrigens auch nicht wahr, dass Israel, so wie Sie behaupten, alles getan hätte, um Frieden mit den Palästinensern zu machen. Lesen Sie z. B. den ausgezeichneten Artikel zu Camp David II von Ludwig Watzal (S. 4-6 des Dokuments). Dann erkennen Sie, dass es mit dem angeblich so großzügigen Angebot Ehud Baraks an Jassir Arafat nicht so weit her war. Und das zieht sich durch. Die Palästinenser haben im Wesentlichen drei Forderungen:
- Sie wollen einen lebensfähigen Staat mit einem einigermaßen zusammenhängenden Territorium,
- sie wollen eine halbwegs befriedigende Lösung der Flüchtlingsfrage (und ich glaube nicht, dass sie auf einem Rückkehrrecht für vier Millionen Menschen bestehen würden)
- und sie wollen einen Stopp des israelischen Siedlungsbaus.
Eigentlich legitime Forderungen, aus meiner Sicht.
Ein wenig angst und bang wird mir, wenn ich bei Ihnen lese, Sie fordern „die Zerschlagung der Terrororganisationen“ und die „Ersetzung des sozialen Fundaments der Palästinenser durch etwas anderes“.
Nicht nur, dass das wirklich reichlich vage ist, es klingt auch nicht gut. Terrororganisationen zerschlagen, na vielleicht. Aber „Ersetzen des sozialen Fundaments durch etwas anderes“? Durch WAS, bitte? Und vor allem: WIE??? Gewaltsam? Von außen? Oder was soll ich mir unter diesen kryptischen, aber irgendwie nach Gewalt riechenden Worten vorstellen?
Was schließlich die israelischen Rechten und Ultrarechten betrifft: Sie haben zwar recht, wenn Sie sagen, dass jene Extremisten, die den totalen Krieg gegen die Palästinenser wollen (und auch ihre Deportation und dergleichen fordern), sich bisher nicht durchgesetzt haben. Aber die Rechte in Israel hat auf der anderen Seite jede sinnvolle Anstrengung in Richtung eines Friedens erfolgreich torpediert.
Es kann schon sein — und ich würde das auch behaupten –, dass die Radikalen auf beiden Seiten eigentlich keinen Frieden wollen, jedenfalls keinen, der nicht mit der totalen Niederlage der anderen Seite verbunden ist. Das gilt dann aber genauso für einen nicht unbeträchtlichen Teil der Israelis. Ich glaube aber auch, dass die Mehrheit auf beiden Seiten nichts mehr wünscht als dass Frieden einkehrt, auch wenn vielleicht auf beiden Seiten die Ansichten darüber, wie das geschehen könnte, falsch sein mögen. Und was die Palästinenser betrifft, so dürfen Sie nicht vergessen, dass Sie und ich aus österreichischer Perspektive leicht reden haben: Wir sind nicht betroffen und können uns in Ruhe Gedanken machen und Meinungen bilden. Das können die dort nicht, wenn sie tagtäglich mit der Realität der israelischen Präsenz, die sie als Besatzung und Unterdrückung
erleben, konfrontiert sind. Und das sind ja dort auch nicht alles Intellektuelle.
Sie brauchen sich doch nur vorzustellen, wie das wäre, wenn es Österreich beträfe. Nehmen wir also an, die tschechische Armee (die Tschechen mögen es mir bitte verzeihen, es ist nur wegen der Anschaulichkeit) hätte beträchtliche Teile des Landes besetzt, das die Österreicher für ihres halten. Die Tschechen hätten eine hochgerüstete Armee, die mit Panzern kreuz und quer durch das Land fährt, das die Österreich „Österreich“ nennen. Dieses Österreich ist aber kein Staat und von der Welt nicht anerkannt. Österreich hat auch keine Armee, sondern nur einige, untereinander zerstrittene „Befreiungsorganisationen“. Die Tschechen kontrollieren alle Grenzen, Bahnhöfe, Flughäfen, sämtliche Verkehrswege sowie auch die Versorgung der Österreicher mit Wasser, Lebensmitteln, Medikamenten, Treibstoff und so weiter. Es gibt zwar diverse Nachbarländer, die sich mit Österreich solidarisch erklärt haben und in denen, in Flüchtlingslagern, Millionen von Österreichern leben. Diese Nachbarländer haben auch schon Kriege gegen Tschechien geführt, allerdings die meisten davon verloren. Tschechien wird, sagen wir, von einer Großmacht (Russland, bitte auch da um Verzeihung) unterstützt, in der es einen starken tschechischen Bevölkerungsanteil gibt und in der sehr einflussreiches protschechisches Lobbying betrieben wird. Die Österreich wollen Selbständigkeit, sie wollen einen eigenen Staat. Ihre Führer sprechen von Kampf, seit Jahrzehnten, aber wenn man genau hinschaut, wirtschaften wohl manche dieser Führer eher in die eigene Tasche. Dennoch: Die Österreicher haben niemanden sonst, der für sie kämpft und stehen deshalb nolens volens zu diesen Führern, und manche befürworten sogar den eher scheußlichen Terror, den die österreichischen Kampforganisationen gegen die tschechische Zivilbevölkerung veranstalten. Manche dieser Attentäter, die bei den Attentaten zumeist auch selbst sterben, werden von den Österreichern als Helden gefeiert. Schließlich seien sie ja im Kampf für ein freies Österreich gefallen, so der Tenor. Und so weiter und so fort, you get the drift.
Ich glaube, was uns allen fehlt, ist ein gerüttelt Maß an Phantasie, mit der wir uns vorstellen können, was in den Palästinensergebieten (und in den Köpfen und Herzen der Menschen, die dort leben) wirklich geschieht. Dazu kommt, dass auch hierzulande und im gesamten Westen die Presse eher einseitig und alles in allem proisraelisch und antipälastinensisch berichtet.
Natürlich ist der Terror von Hamas und Co. längst kontraproduktiv geworden, wenn er jemals etwas anderes war. Aber genauso kontraproduktiv ist die sture Fortsetzung der israelischen Besatzungspolitik mittels Armee und, was noch schlimmer ist, mittels dauerhafter Siedlungen in Palästinensergebieten, die wohl inzwischen eines der größten Hindernisse auf dem Weg zu einem Frieden darstellen. Man muss sich nur die Bilder anschauen, wenn (hin und wieder) solche Siedlungen von der israelischen Armee geräumt werden. Da müssen also Juden andere Juden abtransportieren, die sie als Mörder und Verräter an der eigenen Sache beschimpfen. Ich möchte auch nicht der israelische Soldat sein, der DAS tun muss. Aber noch weniger möchte ich der sein, der in einer Planierraupe der Armee sitzt und das abertausendste palästinensische Haus zerstört oder der auf einen Zwölfjährigen schießt, nachdem der Steine nach ihm geworfen hat.
Mein Fazit ist: Einseitige Parteinahme ist zwar gerade in dieser Sache die Regel, aber sie ist kontraproduktiv. Es wäre wesentlich besser, wenn gerade Europa hier eine stärkere und unparteiische Vermittlerrolle einnehmen würde. Zum Teil geschieht das ja, aber nicht in genügendem Ausmaß.
Es hat keinen Sinn, in diesem Konflikt ständig zu fragen, wer angefangen hat. Das führt nur zu einer Diskussion auf Kindergartenniveau, wie in der Sandkiste, nur tödlich. Das einzige, was Sinn hat, ist, zu fragen, wie man es beenden könnte. Und dazu ist Phantasie, Großzügigkeit und Mut gefragt. Natürlich wiederum: auf beiden Seiten. Wenn Sie den Eindruck haben, dass ich ein Feind der Israelis und ein Freund der Palästinenser bin, dann irren Sie. Ich habe nur versucht, ihre einseitig proisraelische Position zu konterkarieren, die ich unhaltbar finde.
Wünsche noch einen schönen Tag.